Anhörung im Bußgeldverfahren – Antworten oder Schweigen?

Sie öffnen Ihren Briefkasten und finden einen Anhörungsbogen der Bußgeldbehörde. Die erste Reaktion ist oft Verunsicherung: Muss ich antworten? Was passiert, wenn ich schweige? Kann ich mich selbst belasten? In meiner Strafrecht Kanzlei München erlebe ich täglich, wie Menschen in dieser Situation unsicher sind. In diesem Artikel erkläre ich Ihnen, welche Rechte Sie haben und wie Sie strategisch klug vorgehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Umfassendes Schweigerecht: Sie müssen sich nicht zum Tatvorwurf äußern oder selbst belasten, nur Personalangaben sind erforderlich.
  • Keine pauschale Strategie: Ob Antworten oder Schweigen richtig ist, hängt vom Einzelfall ab, unbedachte Aussagen können als Beweismittel verwendet werden.
  • Anwaltliche Prüfung sinnvoll: Eine frühzeitige rechtliche Beratung hilft, Verfahrensfehler zu erkennen und Selbstbelastung zu vermeiden.

Was ist eine Anhörung im Bußgeldverfahren?

§ 55 OWiG schreibt vor, dass Sie vor Erlass eines Bußgeldbescheids angehört werden müssen. Dieses Recht auf rechtliches Gehör ist ein wichtiger Grundpfeiler des Rechtsstaats. Die Anhörung erfolgt meist schriftlich über einen Anhörungsbogen und dient dazu, den Sachverhalt zu klären und Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Der Anhörungsbogen enthält typischerweise Angaben zu Tatzeit und Tatort, den konkreten Vorwurf wie eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die Frage nach dem Fahrzeugführer, eine Frist zur Rücksendung sowie Hinweise auf Rechtsfolgen bei Falschangaben.

Nach Ihrer Antwort oder bei fehlender Reaktion bewertet die Behörde den Sachverhalt und erlässt entweder einen Bußgeldbescheid, stellt das Verfahren ein oder fordert weitere Informationen an. Bei Einspruch gegen den Bußgeldbescheid geht das Verfahren in die gerichtliche Phase über.

Muss ich auf die Anhörung reagieren?

Sie haben ein umfassendes Schweigerecht. Anders als bei reinen Personalangaben müssen Sie sich nicht zum Tatvorwurf äußern oder selbstbelastende Angaben machen. Dieses Recht schützt Sie vor unbedachten Aussagen, die später gegen Sie verwendet werden könnten.

Allerdings sind Angaben zur eigenen Person wie Name und Anschrift in der Regel erforderlich. Falsche Angaben gegenüber der Behörde können selbst eine Ordnungswidrigkeit nach § 111 OWiG darstellen und zusätzliche Bußgelder nach sich ziehen.

Wichtig ist die Unterscheidung zwischen Anhörungsbogen und Zeugenfragebogen. Als Zeuge oder Zeugin haben nahe Angehörige Zeugnisverweigerungsrechte. Im Anhörungsbogen sind Sie jedoch als Betroffener oder Betroffene angesprochen, sodass andere Regeln gelten.

Taktisch betrachtet schützt Schweigen vor unbedachten, beweiserhöhenden Äußerungen. Eine wohlformulierte Antwort kann hingegen Missverständnisse beseitigen oder die Fahrerermittlung klären. Es gibt keine pauschale Antwort – die Prüfung des Einzelfalls ist entscheidend.

Vorteile und Risiken einer Stellungnahme

Eine Stellungnahme kann hilfreich sein, wenn Sie klarstellen können, dass Sie nicht der Fahrer oder die Fahrerin waren oder mildernde Umstände vorliegen. Fehler in der Messung oder technische Gründe können zur Verfahrenseinstellung führen oder den Bescheid mildern. Eine schnelle Klarstellung vermeidet späteren Einspruchs- und Gerichtsaufwand und spart Zeit sowie Kosten.

Die Risiken liegen in unbedachten Angaben. Zeitliche Ungenauigkeiten oder Selbstbelastungen können als Belastungsmaterial verwendet werden. Falschangaben zum Fahrer oder zur Fahrerin können neue Ordnungswidrigkeiten oder Bußgelder auslösen.

Wie ein Anwalt oder eine Anwältin helfen kann – auch schon vor der Antwort

Die frühe Einschaltung eines Anwalts oder einer Anwältin lohnt sich. Ich prüfe die Aktenlage, bewerte die Beweissituation wie Messprotokolle, identifiziere mögliche Verfahrensfehler und formuliere rechtssichere Antworten oder empfehle gezieltes Schweigen.

Ein Fachanwalt vermeidet Selbstbelastung, stellt Beweismaterial wie Werkstattbelege, GPS-Daten oder Zeugenaussagen zusammen und verfasst präzise, rechtlich geeignete Erklärungen. Oft genügt ein kurzes anwaltliches Schreiben, das formale Fragen klärt oder die Auskunft über den Fahrer oder die Fahrerin verweigert, ohne inhaltlich belastend zu werden.

Langfristig kann ich prüfen, ob Mess- oder Verfahrensfehler wie fehlerhafte Eichung oder unzureichende Belehrung vorliegen. Dies kann zur Verfahrenseinstellung führen und Ihnen Bußgeld und Punkte ersparen.

Zusammenfassung und Fazit

Die Anhörung ist ein formaler Verfahrensschritt mit Chancen und Risiken. Es gibt kein pauschales „immer antworten“ oder „immer schweigen“: Die Entscheidung hängt vom Einzelfall ab.

Meine Empfehlung: Erst prüfen, dann entscheiden. Wenn Sie antworten, dann kurz, sachlich und belegbar. Bei Unklarheiten sollten Sie eine anwaltliche Kurzprüfung vor dem Versand in Anspruch nehmen. Als erfahrener Rechtsanwalt für Strafrecht stehe ich Ihnen gerne für eine kompetente Ersteinschätzung zur Verfügung.