Mit der Reformation des Sexualstrafrechts im Jahr 2016 wurden viele Normen und Tathandlungen neu gefasst. Dies stellt Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen und Behörden vor neue Herausforderungen, sodass es sich bei diesem Rechtsgebiet um ein Spezialgebiet im deutschen Strafrecht handelt, das besonders viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl benötigt. Insbesondere im Rahmen des Sexualstrafrechts können Beschuldigungen weitreichende private und berufliche Folgen haben.
Was genau inzwischen unter das Sexualstrafrecht fällt und wie insbesondere sexuelle Belästigung und Nötigung in diesem Kontext definiert werden, erfahren Sie im folgenden Beitrag.
Inhaltsverzeichnis
- Das Wichtigste in Kürze
- Wichtige Definitionen im Sexualstrafrecht
- Das Strafmaß
- Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen im Sexualstrafrecht
- Fazit
Das Wichtigste in Kürze
- Die Tatbestände der sexuellen Belästigung und Nötigung wurden 2016 weiter gefasst.
- Das Strafmaß kann von einer Geldstrafe bis zu mehreren Jahren Freiheitsstrafe reichen.
- Eine gute Strafverteidigung ist essentiell für eine Einstellung des Verfahrens oder einen Freispruch.
Wichtige Definitionen im Sexualstrafrecht
Die sexuelle Belästigung nach § 184i StGB wurde 2016 neu im Strafgesetzbuch (StGB) normiert und umfasst Delikte, deren Schwelle zur strafbaren Handlung deutlich niedriger ist, als beispielsweise bei einer Vergewaltigung oder sexuellen Nötigung. Durch die Reformation des Sexualstrafrechts wurden die Grenzen der strafbaren Handlungen stark erweitert, sodass es zum Teil zu großen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung kommen kann, ob denn eine strafbare Tat vorliegt oder nicht. Dies muss immer anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Dafür sind folgende Punkte relevant:
- Wurde das Opfer körperlich berührt?
- War die Berührung sexuell motiviert?
- Fühlt sich das Opfer durch die Berührung belästigt?
Wenn diese Kriterien erfüllt sind, liegt eine strafbare sexuelle Belästigung nach § 184i StGB vor. Dabei muss es sich um eine körperliche Belästigung handeln, da rein verbale Belästigungen ausschließlich als sexuelle Beleidigungen nach § 185 StGB geahndet werden.
Der Tatbestand der sexuellen Belästigung gemäß § 184i StGB setzt voraus, dass eine Person eine andere in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt. Dabei ist entscheidend, dass die Berührung objektiv sexuell geprägt ist, wie beispielsweise unerwünschte Umarmungen, aufgedrängte Küsse oder das Berühren von Brust, Gesäß oder Genitalien. Auch flüchtige Berührungen können den Tatbestand erfüllen, sofern sie eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Verbale Belästigungen, wie anzügliche Bemerkungen oder obszöne Kommentare, fallen hingegen nicht unter § 184i StGB, können jedoch als Beleidigung gemäß § 185 StGB strafbar sein.
Im Gegensatz dazu stellt die sexuelle Nötigung nach § 177 StGB einen schweren sexuellen Übergriff dar. Für die Neuregelung ist dabei ausreichend, dass eine sexuelle Handlung gegen den wahrnehmbaren Willen der anderen Person vorgenommen wurde. Während früher für den Straftatbestand erheblich war, dass der Täter oder die Täterin Gewalt anwendet oder sich das Opfer körperlich gegen den Übergriff wehrt, ist dies nun nicht mehr ausschlaggebend. Vielmehr kommt es darauf an, dass es für den Täter oder die Täterin erkennbar war, dass das Opfer die sexuelle Handlung nicht gewollt hat. Hinzukommen muss im Wege der Nötigung noch, dass der Täter oder die Täterin gewalttätig wird, dem Opfer droht oder eine bestimmte Lage ausnutzt.
Das Strafmaß
Im Fall der sexuellen Belästigung sieht § 184i StGB ein Strafmaß von einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe vor. In besonders schweren Fällen kann dieses Strafmaß auch erhöht werden. Im Gegensatz dazu stellt die sexuelle Nötigung nach § 177 StGB ein Verbrechen dar, das mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren geahndet wird. Auch hierbei hängt das konkrete Strafmaß von der Schwere der Tat, den Vorstrafen sowie dem Verhalten des Täters oder der Täterin und den Umständen des Einzelfalls ab. Als mildernde Umstände kommen allenfalls ein umfassendes Geständnis und eine Selbstanzeige in Betracht.
Besonders im beruflichen Umfeld kann sexuelle Belästigung nicht nur strafrechtliche, sondern auch arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Arbeitnehmer und -nehmerinnen, die sich der sexuellen Belästigung schuldig machen, müssen mit Abmahnungen, Versetzungen oder sogar fristlosen Kündigungen rechnen.
Opfer sexueller Belästigung haben die Möglichkeit, zivilrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend zu machen. Die Höhe des Schmerzensgeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Schwere der Tat, die Dauer und Intensität der Belästigung sowie die psychischen und physischen Folgen für das Opfer. Gerichte haben in der Vergangenheit in schweren Fällen Schmerzensgeldbeträge von mehreren tausend Euro zugesprochen.
Im digitalen Raum, insbesondere im Internet, können Formen der sexuellen Belästigung wie das Versenden unerwünschter sexueller Inhalte oder das Stalking über soziale Medien strafbar sein. Solche Handlungen können unter § 185 StGB (Beleidigung) oder § 238 StGB (Nachstellung) fallen. Auch Belästigungen per Telefon, wie obszöne Anrufe oder das Versenden von anstößigen Nachrichten, können strafrechtlich verfolgt werden.
Bei sexuellen Handlungen gegenüber Minderjährigen greifen spezielle Strafvorschriften. Der sexuelle Missbrauch von Kindern unter 14 Jahren wird gemäß § 176 StGB mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet. Bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren kann § 182 StGB Anwendung finden, insbesondere wenn ein Abhängigkeitsverhältnis besteht oder das Opfer zur sexuellen Handlung bestimmt wurde. Die Strafen in diesen Fällen sind deutlich höher als bei sexueller Belästigung unter Erwachsenen.
Aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen im Sexualstrafrecht
Durch die Reformation des Strafrechts geht der Wille des Gesetzgebers, stärker gegen Straftaten im Sexualstrafrecht vorzugehen, klar hervor. Es wurden nicht nur die Strafandrohung und das Strafmaß erhöht, sondern auch die Grenzen und Voraussetzungen für die Annahme einer sexuell motivierten Straftat abgesenkt. So wird bei der Beurteilung, ob ein entgegenstehender Wille bei sexuellen Handlungen erkennbar ist, mittlerweile bereits eine verbale Äußerung als ausreichend angesehen. Das viel zitierte “Nein heißt Nein!” hat somit seinen Weg in das deutsche Strafrecht gefunden und einen Pfad geebnet, um Opfer von Sexualstraftaten besser zu schützen und Straftaten stärker zu ahnden.
Menschen, die Opfer von Sexualstraftaten geworden sind, können Hilfe und Unterstützung bei Opferhilfeeinrichtungen erhalten. Hier werden sie umfassend über ihre Rechte sowie psychologische Angebote zur Bewältigung dieser Ereignisse beraten. Zudem haben die Opfer bei bestimmten Straftaten das Recht, als Nebenkläger bzw. -klägerin im Verfahren aufzutreten und erhalten dadurch spezielle Rechte im Strafprozess. Gerne informiere ich Sie hierzu.
Nach einer Anzeige wegen sexueller Belästigung leitet die Polizei in der Regel Ermittlungen ein, die die Befragung des Opfers und möglicher Zeugen und Zeuginnen sowie die Sicherung von Beweismitteln wie Chatverläufen oder Videoaufnahmen umfassen. In vielen Fällen steht Aussage gegen Aussage, wobei die Glaubwürdigkeit der Aussagen sorgfältig geprüft wird. Ein Strafverfahren kann mehrere Phasen durchlaufen, von der Ermittlungsphase über die Anklageerhebung bis hin zur Hauptverhandlung und Urteilsverkündung.
Fazit
Sollten Sie der sexuellen Belästigung oder Nötigung beschuldigt werden, empfiehlt sich eine frühzeitige rechtliche Beratung und Mandatierung. Die Beschuldigung einer Tat im Sexualstrafrecht kann weitreichende persönliche und private Folgen mit sich bringen, sodass insbesondere der Vorwurf bei einer Falschbeschuldigung möglichst schnell aus der Welt geschafft werden sollte. Dies gewährleiste ich mit meiner Strafverteidigung. Als Anwalt im Sexualstrafrecht in München verfüge ich über die notwendige Expertise und Erfahrung, um Sie in jedem Stadium des Verfahrens bestmöglich zu vertreten.
In einem ersten Beratungsgespräch können Sie mir den Sachverhalt und die Vorwürfe schildern. Dabei stehe ich empathisch an Ihrer Seite, ohne Sie zu verurteilen. Anschließend werde ich im Fall eines Ermittlungsverfahren eine Einsicht in die Akten beantragen und mich mit der Staatsanwaltschaft und dem Richter bzw. der Richterin beraten. Dabei liegt mein Fokus stets auf einer Einstellung des Verfahrens, damit Ihre rechtlichen Interessen bestmöglich gewahrt werden und eine Hauptverhandlung vermieden wird. Ist dies nicht möglich, stimme ich mit Ihnen gemeinsam eine Verteidigungsstrategie ab und bespreche Ihre Aussage in der Hauptverhandlung.
Gerne können wir weitere Fragen in einem persönlichen Beratungsgespräch klären. Vereinbaren Sie dafür einfach ein Erstgespräch in meiner Kanzlei in München.
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