Wahl- versus Pflichtverteidiger im Strafrecht: das sind die Unterschiede

Häufig liest man in Berichten über einen Pflichtverteidiger. Was damit gemeint ist, wissen jedoch nur die wenigsten. Zunächst hört es sich etwas abwertend an und spontan denkt man: Der hatte wohl kein Geld, um sich einen eigenen Verteidiger zu leisten. Was steckt wirklich dahinter? Ich, Rechtsanwalt Leonhard Graßmann und Experte im Bereich Strafrecht in München, kläre Sie im Folgenden gerne auf.

Anwalt für Strafrecht in München und Mandantin schütteln sich die Hände
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Wann kommt ein Pflichtverteidiger zum Einsatz?

Der größte Unterschied zwischen einem Pflicht- und einem Wahlverteidiger ist, dass der erstgenannte durch das Gericht dem Angeklagten beigeordnet wird. Der Pflichtverteidiger wird aber nicht bei jedem Strafverfahren beigeordnet. Es müssen dafür mindestens zwei Voraussetzungen vorliegen: Es muss sich um eine sogenannte notwendige Verteidigung handeln und der Angeklagte darf noch nicht über einen Verteidiger verfügen. Was aber sind die Fälle einer notwendigen Verteidigung?

In diesen Fällen muss ein Gericht im Strafprozess einen Pflichtverteidiger beiordnen

Geregelt sind diese Gelegenheiten in der Strafprozessordnung. Einschlägig ist der § 140 StPO. Die einzelnen Fälle sind:

  • Verhandlung vor einem Landgericht oder einer höheren Instanz
  • Anklage wegen eines Verbrechens
  • Mögliches Berufsverbot
  • Vollstreckung von U-Haft
  • Wenigstens drei Monate Freiheitsentzug
  • Unterbringung wegen Gutachtenerstellung
  • Sicherungsverfahren
  • Ausschluss eines Wahlverteidigers
  • Nebenkläger mit anwaltlicher Vertretung
  • Weitere Fälle

Zu den nicht namentlich genannten Fällen obliegt dem Gericht die Beiordnung des Pflichtverteidigers, wenn es zu dem Eindruck kommt, dass die Mitwirkung eines Verteidigers geboten ist, weil die Rechts- und / oder Sachlage schwierig scheint oder die Tat sehr schwer wiegt. Es soll ebenfalls beiordnen, wenn offensichtlich ist, dass der Angeklagte sich nicht selbst verteidigen kann.

Nicht zu vergessen ist, dass die Beiordnung eines Pflichtverteidigers nur dann erfolgt, wenn der Beschuldigte noch keinen Verteidiger mandatiert hat. Deshalb ist auch der Zeitpunkt der Beiordnung des Pflichtverteidigers wichtig. Die Aufforderung, seinen Anwalt zu benennen, erfolgt spätestens mit Zustellung der Anklageschrift. In dieser wird dann auch die Beiordnung eines Pflichtverteidigers angesagt, wenn der Beschuldigte nicht selbst mandatiert.

Es lohnt sich daher, sich im Strafverfahren rechtzeitig mit der Frage Pflichtverteidiger oder Wahlverteidiger auseinanderzusetzen.

Worin bestehen die Unterschiede zwischen Wahlverteidiger und Pflichtverteidiger?

Das Gesetz geht von dem Normalfall aus, dass sich der Angeklagte oder Beschuldigte seinen Verteidiger im Strafprozess selbst auswählt. Die Vorteile der eigenen Wahl liegen für den Beschuldigten auf der Hand. Als Wahlverteidiger sollte er nur einen erfahrenen Anwalt im Strafrecht wählen, dessen Kenntnisse und Fertigkeiten auf eine erfolgreiche Verteidigung schließen lassen.

Beim Pflichtverteidiger weiß der Beschuldigte in der Regel nicht, welchen Anwalt er bekommt und wie erfahren dieser in der Verteidigung des jeweils zur Last gelegten Vergehens ist.

Wer bezahlt den Pflichtverteidiger?

Grundsätzlich gilt: Der Wahlverteidiger wird vom Mandanten und der Pflichtverteidiger von der Staatskasse bezahlt. Insofern war der eingangs erwähnte spontane Gedanke nicht ganz unrichtig. Verliert der Beschuldigte den Prozess, werden ihm grundsätzlich auch die Verfahrenskosten und damit auch die Bezahlung des Pflichtverteidigers auferlegt. Die Gebühren für den Pflichtverteidiger sind übrigens niedriger als für den Wahlverteidiger.